2. Theorie

 

Um in der Hochfrequenztechnik zum korrekten Messergebnis zu gelangen, bedarf es einiger Grundlagen zur drahtgebundenen HF-Übertragung. In diesem Kapitel wird schrittweise und praxisnah erläutert welche physikalischen Zusammenhänge hierbei zu beachten sind. Der Einfachheit halber wird nur das Wechselspannungsverhalten von Koaxialkabeln untersucht. Ohmsche Größen wie Längswiderstand und Isolationsleitwert werden nur am Rande erwähnt.

 

Kabelersatzschaltbild

In Anlehnung an das Tiefpassfilter entstand dieses Ersatzschaltbild in dem sich alle Leitungskonstanten wiederfinden. Die Leitungskonstanten beziehen sich auf eine bestimmte Leitungslänge z.B. 1km. R’ ist der Widerstandsbelag in Ohm/km, er ergibt sich aus dem Leiterquerschnitt und dessen Länge. L’ ist der Induktivitätsbelag in µH/km, weil jeder stromdurchflossene Leiter ein Magnetfeld aufbaut welches Rückwirkungen auf die Leitungsvorgänge hat. C’ ist der Kapazitätsbelag in nF/km und ergibt sich aus dem Abstand der Leiter zueinander, dem Dielektrikum und der wirksamen Oberfläche. G’ ist der Ableitungsbelag in µS/km, er hängt von der Qualität des Dielektrikums ab.

 

 

Moderne HF-Kabel haben dank ausgesuchter Materialien für Leiter und Isolation geringe Verluste die erst Relevanz erlangen bei sehr großen Kabellängen bzw. hoher zu übertragender Leistung.

 

Reales Kabel

In einem homogenen HF-Kabel lässt sich der kapazitive Anteil nicht vom induktiven  trennen.

Jeder noch so kurze Abschnitt enthält beide Elemente. Das folgende Ersatzschaltbild zeigt ein praxisnahes Kabelmodell.

 

 

Anders als bei einer diskret aufgebauten LC Kettenschaltung,  bei der die Werte für die Schaltelemente bekannt sind, besteht ein homogenes HF-Kabel aus einer unendlichen Anzahl unendlich kleiner Kapazitäten und Induktivitäten die sich nicht einzeln betrachten lassen. Dieser Aufbau ergibt für jedes einzelne Glied eine unendlich hohe Übertragungsfrequenz.

Die Kapazitäts- und Induktivitätsbeläge der Leitung lassen sich demnach nicht zur Berechnung der oberen Grenzfrequenz heranziehen!

 

Wellenwiderstand, Kabelimpedanz  Zk

Der Wellenwiderstand ist der Eingangswiderstand des Kabels und ist das wichtigste Kriterium für die Anpassung. Er wird herstellerseitig angegeben und ist abhängig von der Kabelgeometrie. Die Kabellänge beeinflusst den Wellenwiderstand nicht. Koaxialkabel besitzen Wellenwiderstände von 50 oder 75 Ohm.

Der Wellenwiderstand Zk des RG58 Kabels beträgt ca. 50 Ohm.

(C’=100nF/km, L’=250µH/km)

 

Dämpfung

Die Dämpfung eines HF-Kabels wird bestimmt durch die Verlustwiderstände R’ und G’. Sie steigt mit der Länge des Kabels. Hinzu kommt eine frequenzabhängige Dämpfung durch den Skineffekt, der den stromwirksamen Leiterquerschnitt verringert und dadurch den Längswiderstand bei zunehmender Betriebsfrequenz vergrößert. Das Koaxialkabel RG58 weist bei 1000MHz auf 100m Länge eine Dämpfung von 60dB auf.

Um eine möglichst geringe Dämpfung bei hohen Frequenzen zu erreichen sind die Kabellängen kurz zu halten.

 

Übertragungsbereich

Idealisiert ist der Übertragungsbereich einer angepassten HF-Leitung frequenzlinear.

Bei steigender Frequenz entsteht durch den Skineffekt allerdings ein Tiefpassverhalten.

Das Modell der LC-Kettenschaltung ist für die Beschreibung der Frequenzlinearität nur eingeschränkt anwendbar. In der LC-Kettenschaltung sind die Werte der Elemente vordefiniert und klar voneinander getrennt. Anders bei der HF-Leitung. Ein Leiterstück kann beliebig kurz sein und weist immer noch einen zur Länge proportionalen induktiven und kapazitiven Anteil auf. Beliebig klein bedeutet aber auch dass die obere Grenzfrequenz im Unendlichen liegt.

 

Anpassung

Professionelle HF-Netze sind angepasst. Das bedeutet, dass Quellimpedanz, Leitungsimpedanz und Lastimpedanz identische Werte von z.B. 50 Ohm aufweisen. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die Leitungslänge nahezu vernachlässigbar wird und die eingespeiste Leistung verlustarm den Verbraucher erreicht. Entlang der Leitung ist das Spannungsniveau konstant. Spannung und Strom sind in Phase. Lediglich der ohmsche Widerstand der Leitung sowie der Skineffekt begrenzen die Kabellänge.

Nur bei Anpassung wird die Leistung am Lastwiderstand maximiert. Da im Kabel die induktiven und kapazitiven Blindwiderstände überwiegen und der ohmsche Anteil vernachlässigbar ist, wird kaum Wirkleistung über der Leitung umgesetzt.

 

Wellenwiderstandsmodell

Eine häufig gestellte Frage betrifft die Rolle der Kabelimpedanz bei der Anpassung. Zur Erklärung soll das Wellenwiderstandsmodell dienen:

Masche I stellt die Einspeisung der Energie in das Kabel-, Masche II  die Entnahme der Energie durch den Lastwiderstand dar. Die beiden Prozesse finden nicht zeitgleich statt sondern durch die Laufzeit des Signals im Kabel verzögert:

 

 

Das Kabel schließt mit seinem Wellenwiderstand die HF-Quelle ab und ist Zwischenspeicher der zu übertragenden Energie. Der Lastwiderstand wiederum schließt das Kabel ab.

 

In der HF-Leitung überwiegen kapazitive und induktive Blindwiderstände. Die Leitung  verbraucht keine Energie sondern speichert sie bis zum Erreichen des Lastwiderstandes in ihren elektrischen und magnetischen Feldern.

Bei Anpassung sind die Impedanzen Ri = Zk = Rl. Spannung und Strom sind an jeder Stelle in Phase, die übertragbare Energie erreicht ihr Maximum.

Bei Abweichung der Impedanzen (Fehlanpassung) entstehen Phasenverschiebungen und die von der Leitung aufnehmbare und übertragbare Energie verringert sich.

Durch Laufzeiten im HF-Kabel ist der Augenblick der Einspeisung des Signals am Kabelanfang nicht identisch mit dem Moment der Abgabe an den Verbraucher.

 

Bei der Leitung von Hochfrequenz überlagern sich drei physikalische Vorgänge:

die endliche Geschwindigkeit von elektrischen Signalen in Leitern, der Wellencharakter von Hochfrequenz und der komplexe Wellenwiderstand des Kabels.

 

Laufzeit vs. Frequenz

Reflexionen und stehende Wellen sind von Bedeutung, wenn die Kabellänge groß verglichen mit der Signal-Wellenlänge ist.

 

Stehende Wellen

Wenn bei Fehlanpassung z.B. die Kabelimpedanz von der Quellimpedanz abweicht (Zk≠Ri), kann das Kabel nicht die gesamte HF-Energie übertragen. In diesem Falle weicht die Spannung über der Last von der der Quelle ab. Die nicht aufgenommene Energie beginnt sich auszubreiten und fließt zur Quelle zurück um dort in Wärme umgesetzt zu werden.

Die zurücklaufende Welle bildet mit der hinlaufenden Interferenzen bzw. stehende Wellen entlang der Leitung aus.

Ursache hierfür sind Reflexionen der Hochfrequenz in der Leitung. Der Rückfluss erfolgt mit einem Phasenwinkel von +90° bis –90° abhängig von der Art der Fehlanpassung.

Neben den Verlusten durch Fehlanpassung besteht bei Sendeendstufen zusätzlich die Gefahr der Überlastung.  Zur Veranschaulichung der Ursachen stehender Wellen dient das Modell der L-C-Kettenschaltung. Die folgenden zwei Beispiele dienen zur Extremwertbetrachtung:

                                                                                                                                    

Lastimpedanz >> Leitungsimpedanz (Leerlauf)

Hierzu wird der Lastwiderstand entfernt. Bei offenem Ausgang des Kabels B entsteht dort Spannungsmaximum und Stromminimum, es dominiert der kapazitive Anteil der Leitung. Kapazitäten sind Blindlasten und geben die aufgenommene Energie mit einem negativen Phasenwinkel wieder ab, sie reflektieren die Hochfrequenz. Im Abstand von λ/4 vom Leitungsende bildet sich ein Spannungsminimum aus. Es herrscht Totalreflexion, die gesamte HF-Energie wird zum Anschluss A reflektiert und am Generator-Innenwiderstand in Wärme umgewandelt.

Am Anschluss B wird keine Leistung umgesetzt weil der Laststrom null ist.

 

 

Lastimpedanz << Leitungsimpedanz (Kurzschluss)

Hierzu wird anstelle des Lastwiderstandes B ein Kurzschluss eingefügt. Bei kurzgeschlossenem Ausgang entsteht dort Strommaximum und Spannungsminimum, es dominiert der induktive Anteil der Leitung. Induktivitäten sind Blindlasten und geben die aufgenommene Energie mit einem positiven Phasenwinkel wieder ab, sie reflektieren die Hochfrequenz. Im Abstand von λ/4 bildet sich ein Spannungsmaximum aus. Es herrscht Totalreflexion, die gesamte HF-Energie wird zum Anschluss A reflektiert und am Generator-Innenwiderstand in Wärme umgewandelt. Am Anschluss B wird keine Leistung umgesetzt weil die Spannung null ist.

 

 

 

 

Urheberrechtsbelehrung

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